Ivan Krylov (1768-1844)
Fischsuppe bei Demjan »Mein guter Nachbar, hochgeschätzter Gast, Nun greif doch zu, ich bitte dich!« »Unmöglich, Lieber, ich bin satt.« - »Na na! Was faßt Ein Tellerchen denn schon? Hat sies denn nicht in sich, Die Suppe?« - »Ebendrum!« - »Schlag mirs nicht aus!« Ach hab doch schon dreimal!« - »Mein Freund, du mußt Mir noch die Ehre tun! Glaub mir, die Lust Kommt mit dem Essen. Tu ganz wie zu Haus! Sie ist doch pures Gold, die Suppe. Schau: Als wär sie ganz von Bernstein überdeckt! Ein Götterschmaus, der Tote auferweckt! Iß, lieber Freund! - Ermuntre du ihn, Frau! Erzähl ihm, daß du Hecht genommen hast Und Sterlet, Brachsen - alles für den Gast!« So setzt Demjan dem Nachbarn Phoka zu Und läßt ihn keinen Atemzug in Ruh. Längst bricht aus Phokas Stirn in Strömen Schweiß. Doch nimmt er noch einmal, weil er ja weiß, Was sich gehört. Er ächzt, kann längst nicht mehr Und stöhnt, und endlich ist der Teller leer. »So lob ich mir den Freund!« ruft nun Demjan, »Wer so frei zugreift, ja, der ist mein Mann. Und weil die Hand schon mal fünf Finger hat - Nimm noch: das fünfte Tellerchen macht satt!« Ob so viel fürchterlicher Huld Reißt Phoka endlich die Geduld. Er greift nach seinem Hut voll Grimm, Und stumm, als hab er seine Stimm Verschluckt, enteilt er ohne Gruß. In Demjans Haus setzt nie er wieder einen Fuß. (Übersetzt von Hans Baumann) Literatur: Russische Lyrik 1185-1963. Ausgewählt und übersetzt von Hans Baumann. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1963 http://members.aol.com/maxstasch/kryl5.htm
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