DictionaryForumContacts

 Snail_femail

link 11.05.2022 12:26 
Subject: in Rechnung stellen
Hallo zusammen. Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand helfen könnte.Die Redewendung "in Rechnung stellen" wird ja grds. ohne Artikel benutzt. Ist das immer so oder könnte man sie doch mit einem bestimmten Artikel benutzen. Nehmen wir an, es wäre zulässig, sie mit einem Artikel zu benutzen, welcher Artikel wäre hier dann richtig "in die Rechnung stellen" oder "in der Rechnung stellen"? Wie wäre es im folgenden Beispiel richtig: die in (die/der) Rechnung gestellten Dienstleistungen.

Eine weitere Frage betrifft auch die Artikel-Problematik. Untenstehend zwei Beispiele:

1. Das Vorliegen folgender Voraussetzungen wird bejaht. (hier wird das Vorliegen mit dem bestimmten Artikel "DAS" verwendet).

2. Bei Vorliegen folgender Voraussetzungen wird die Strafbarkeit des Täters bejaht. (Warum wird hier kein Artikel benutzt, Muttersprachler beharren darauf, dass in dem Fall nicht "beiM" sagen kann, vielmehr wird ein Null-Artikel verwendet, anders gesagt gar kein Artikel)

Vielen lieben Dank im Voraus.

 Brücke

link 11.05.2022 12:58 
Es geht meiner Meinung nach nur "in Rechnung". Zu Ihrer hypothetischen Frage: "in die Rechnung stellen", aber das wäre meiner Meinung nach "kein gutes Deutsch".

Ihre zweite Frage beantworte ich separat.

 Brücke

link 11.05.2022 13:18 
Ich versuche mal, das mit dem "Vorliegen" zu erklären:

Im zweiten Fall ist das Vorliegen noch "unbestimmt", d.h. es wird erst eingeführt. Es ist noch nicht klar, ob "Vorliegen" zutrifft oder nicht. Im ersten Fall dagegen ist impliziert, dass nach dem Vorliegen schon gefragt wurde, deshalb "das Vorliegen".

Es gäbe noch den Fall mit "ein Vorliegen", das wäre zumindest in Ö. typisch, ich kommentiere mal, was ich bei Google so finde:

Beipiel 1:

"Im vorliegenden Fall gab der OGH der Revision der Klägerin Folge. Laut OGH lagen keinerlei Sachverhaltselemente vor, welche auf den konkludenten Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrages schließen ließen. Gegen ein Vorliegen sprachen gleich mehrere Gründe."

--> Hier hat sich herausgestellt, dass "Vorliegen" nicht zutrifft ("ein Vorliegen liegt nicht vor", sozusagen). Man kann hier nicht "gegen das Vorliegen" sagen, weil "das Vorliegen" ja bedeuten würde, dass "Vorliegen" zutrifft.

Beispiel 2:

"Ursache für die Beckenendlage kann eine Nabelschnurumschlingung sein, die verhindert, dass sich das Kind in die Kopflage dreht. Aber auch ein tiefer Sitz oder ein Vorliegen der Plazenta vor dem Muttermund sind mögliche Gründe."

--> Achtung, hier heißt "Vorliegen" nicht "existieren", sondern "vor etwas liegen".

--> Hier heißt es "ein Vorliegen", weil es nicht gesichert ist, sondern nur vermutet wird. Ab dem Zeitpunkt, wo es sich rausstellt, dass die Plazenta wirklich vor dem Muttermund vorliegt, heißt es "das Vorliegen", also z.B. "das Vorliegen (hier kann man "vor dem Muttermund" schon weglassen, weil vorher schon geklärt wurde, was gemeint ist) der Plazenta war der Grund für die Beckenendlage."

Falls meine Erklärungen nicht hilfreich waren, kann ich es noch irgendwie anders versuchen.

 Brücke

link 11.05.2022 13:34 
"beim Vorliegen" würde in Ö. gehen, ist aber für mein Gefühl eher umgangssprachlich / "schlampiges Deutsch".

Beispiel:

"Wir erheben, verarbeiten und nutzen personenbezogene Daten der Nutzer nur unter Einhaltung der einschlägigen Datenschutzbestimmungen. Das bedeutet, die Daten der Nutzer werden nur beim Vorliegen einer gesetzlichen Erlaubnis und/oder Vorliegen einer persönlichen Einwilligung verarbeitet."

--> "Schönes Deutsch" wäre "bei Vorliegen". Der bestimmte Artikel ist hier theoretisch möglich, weil der Fall besprochen wird, wo "Vorliegen" zutrifft. ("Vorliegen" ist etwas schwierig als Beispiel, weil ich statt "zutrifft" normalerweise "vorliegt" sagen würde.)

Also ungefähr so:

Vorliegen?

--> nein --> schönes Deutsch: "bei Nichtvorliegen" (wenn nicht weiter wichtig), schlampiges Deutsch: eventuell "beim Nichtvorliegen" (wenn es noch näher thematisiert wird), ansonsten falsche Verwendung eines schlampigen Ausdrucks (der Sprecher versteht die Logik hinter der grammatikalischen Form nicht)

--> ja --> schönes Deutsch: "bei Vorliegen", schlampiges Deutsch: "beim Vorliegen"

 Snail_femail

link 11.05.2022 14:14 
Vielen lieben Dank für die ausführliche Erklärung. Das leuchtet mir ein, wobei das Hauptargument trotzdem auf dem Bauchgefühl basiert: "schönes Deutsch - schlampiges Deutsch". Irgendwann mal kann ich das vielleicht auch - dieses komische Bauchgefühl

Danke nochmals.

 Brücke

link 11.05.2022 14:26 
Das schlampige hab ich nur dazugeschrieben, weil es Google-Treffer gibt und ich die für Sie auch einordnen wollte (oder falls es Sie es irgendwo so hören). Dasselbe gilt für "in die Rechnung", da liefert die Google-Suche auch ein paar Treffer.

Es ist ja nicht wirklich ein Gefühl, sondern die (unbewusste) Erinnerung daran, ob man es so schon mal gehört hat. Also eher so was wie "klingt ok" (weil man es so schon gehört hat) vs. "klingt komisch" (weil das "niemand sagt" <-- kann aber täuschen; man hat's eventuell nur nie gehört).

 Brücke

link 11.05.2022 14:27 
* falls Sie es irgendwo so hören

 Snail_femail

link 11.05.2022 14:39 
Na ja Etwas gehört zu haben, heißt doch nicht, dass es richtig ist. Bayer sagen z.B.: wir waren da gestanden, oder die Sache war da rumgelegen. Dies ist aber nicht korrekt. In beiden Fällen wäre "haben" das richtige Hilfsverb.

 Brücke

link 11.05.2022 14:53 
Naja, beim Hören speichert man unbewusst auch ab, wo man es gehört hat, also Schule, Fernsehen, jemand aus Bayern etc. In Ö. heißt es "wir sind dort gestanden" und "ist gelegen" (ist in Ö. korrekt, "haben" wäre falsch). :)

 Mme Kalashnikoff

link 14.05.2022 11:52 
@Snail_femail Если Вам тема ещё интересна, то посмотрите/освежите грамматику по темам:

- Abstrakta

- Verbalabstrakta

- obligatorische Verschmelzung

и загляните сюда: https://program.idf.uni-heidelberg.de/fvg/regeln

 Brücke

link 14.05.2022 12:09 
@Mme Kalashnikoff

Danke, das ist sicher hilfreich.

 HolSwd

link 14.05.2022 13:51 
Noch ein Beispiel im Sinne Brücke 17:53: habe recht lange gebraucht, um mir hier das österreichische "der Betrag in DER Höhe von..." abzugewöhnen. Ohne Artikel ist es nämlich in Österreich falsch.

 HolSwd

link 14.05.2022 13:55 
Will sagen, ich würde es nicht gleich als nicht korrekt abtun. Es weicht vom Hochdeutsch ab, ist aber in diesen Dialekten richtig.

 Brücke

link 14.05.2022 16:20 
@HolSwd

Es ist zwar richtig, dass in "in der Höhe" verwendet wird, aber meines Wissens gilt "in Höhe" als korrekt und wird eigentlich auch so gelernt. Österreich hat zwar eigene Varianten ("am Weg", "am Laufenden" etc.), ist aber generell oft schlampig. "Ehre sei Gott in der Höhe", aber ansonsten...

 HolSwd

link 14.05.2022 16:35 
Da bin ich eigentlich nicht einverstanden. Es mag sein, dass es jetzt so gelernt wird. Bis vor etwa 10 Jahren war diese Ausdrucksweise vollkommen normal und war u.a. auch in den Revisionsberichten des österreichischen Parlaments von damals zu finden.

Ich habe jetzt leider keine Zeit zu suchen, aber es gibt irgendwo im MT-Archiv eine diesbezügliche Diskussion zwischen Gajka und ElenaR (so hieß ich hier früher), in der ich entsprechende Beispiele (wie eben oben erwähnt) angeführt habe.

 HolSwd

link 14.05.2022 16:59 
Oder jetzt mal ganz schnell hier UNIQA_CALL_03_cs (uniqagroup.com), eine der führenden österreichischen Versicherungen. Die Eingabe des Suchbegriffs "in der Höhe" bringt einige Ergebnisse.

Und das gilt wohl auch für den anderen Nachbar SGS 501 - Gesetz zur Förderung der Standortqualität - Kanton Basel-Landschaft - Erlass-Sammlung (clex.ch)

 Brücke

link 14.05.2022 17:08 
Wie gesagt, es kann sein, es wird so verwendet, aber ich weiß nicht, ob es im Österreichischen Wörterbuch auch so drinnen steht (hab da keinen Zugang). Hören / lesen tut's man oft genug, aber man hört und liest auch so genug Blödsinn.

Aus Ihrem ersten Beispiel:

"Die Schadenrückstellungen stiegen auf Tsd. € 1.259 und beinhalten die Rückstellungen für Schadenregulierungsaufwendungen in Höhe von Tsd. € 5."

 HolSwd

link 14.05.2022 17:53 
Geben Sie als Suchbegriff "in der Höhe von", und Sie finden in diesem Dokument 3 davon.

Muss nun wirklich weg. Versuche morgen Zeit zu finden, im Ö-Wörterbuch nachzugucken.

Und in den besagten Revisionsberichten des Parlaments war es sicher so: habe einige Passagen übersetzen müssen und hier etwas in diesem Zusammenhang gefragt, worauf sich eben eine Diskussion entfaltet hat.

 Brücke

link 14.05.2022 18:01 
Ok, danke, bin gespannt.

 HolSwd

link 16.05.2022 16:36 
Guten Abend und entschuldigen Sie bitte meine späte Meldung: habe dann doch beschlossen, einen Sonntag PC-frei (endlich!) zu verbringen, und heute war ich den ganzen Tag im Gericht.

Also, zuerst zu meinem ersten Beispiel (wobei ich innigst hoffe, dass die Uniqa, das Flaggschiff des österreichischen Versicherungswesens, ka Bledsinn schreibt):

Seite 6: "Die in der Abteilung Krankenversicherung zum 31. Dezember 2003 unter dem Posten Deckungsrückstellung ausgewiesene Summe in der Höhe von  157.560,25 enthält nur die Deckungsrückstellung des eigenen (= nur direkten) Geschäfts."

Seite 14, gleich zweimal: "Der unter den unversteuerten Rücklagen ausgewiesene Anteil der Risikorücklage gemäß § 73 a VAG in der Höhe von Tsd. € 10 hat sich im Berichtsjahr nicht verändert. Durch die Veränderung von unversteuerten Rücklagen ergaben sich keine Auswirkungen auf die Steuern vom Einkommen im Geschäftsjahr und im Vorjahr.

Seit dem Jahr 2000 besteht ein Vollorganschaftsverhältnis mit der UNIQA Versicherungen AG als Organträger. Eine Steuerrückstellung bzw. ein Aktivum für latente Steuern wird somit ausschließlich beim Steuerschuldner, dem Organ träger, ausgewiesen. Steueraufwendungen und -erträge ergeben sich aus der anteiligen Weiterverrechnung der beim Organträger ermittelten Werte. Die Auswirkungen aus der im Geschäftsjahr aktivierten latenten Steuer gem. § 198 Abs. 10 HGB auf die Steuern vom Einkommen ergaben einen Aufwand in der Höhe von Tsd. € 4 (2002: Ertrag Tsd. € 43)."

Mit dem österreichischen Wörterbuch habe ich auch kein Glück gehabt, habe nur entweder Werbung der Papierausgaben oder irgendwelche in der Art "Österreichisch für Skifahrer" oder "Österreichische Schimpfwörter" gefunden. Dafür aber das aus der Heimat von Duden, was mir recht aussagekräftig erscheint in der / in Höhe von – Variantengrammatik des Standarddeutschen (ids-mannheim.de).

Ich finde grundsätzlich, dass man nicht alle Länder und Regionen auf Hochdeutsch ausrichten sollte. Auch Dialekte stellen einen wichtigen Bestandteil der Geschichte und der Mentalität dar und haben ihr Dasein verdient.

Dafür ist mir noch ein Beispiel im Sinne "in Rechnung stellen" eingefallen, "bei Bedarf".

 Brücke

link 16.05.2022 17:34 
Wie gesagt, das wundert mich überhaupt nicht. Die Frage ist jetzt nur, was im Österreichischen Wörterbuch steht. Mich persönlich reißt es jedes Mal, wenn ich "in der Höhe" lese, aber vielleicht muss ich mich ja updaten.

 HolSwd

link 16.05.2022 17:43 
Und mich lange Zeit nach dem Umzug aus Wien nach Mannheim umgekehrt.

Und in den Übersetzungen für österreichische Kunden (die meisten sind zum Glück treu geblieben) schreibe ich nach wie vor "in der Höhe", "heuer" (dieses Jahr), "Spital" (Krankenhaus) etc. Sie wollen es auch so

 

You need to be logged in to post in the forum